2 Ein neues Materiemodell

2.1 Der Schein trügt

Beginnen wir mit etwas, was im wahrsten Sinne des Wortes "begreifbar" ist: mit der Materie. Wir können einen Klotz Materie anfassen und seine Abmessungen mit einem Lineal bestimmen. Es ist für den gesunden Menschenverstand klar, dass der Klotz einen feste Begrenzung hat, die wir ertasten können. Das hat schon Newton dazu bewegt, seine Gesetze auf feste materielle Körper zu beziehen, zwischen denen sich - idealisiert - als Zwischenraum das Vakuum befindet. Das erscheint auch ganz logisch, denn was durch eine feste Oberfläche begrenzt ist, braucht "Zwischenraum, hindurchzuschaun".

Die Oberfläche eines Gegenstandes wird uns von uns als "fest" angenommen, wenn die Gegenkräfte beim Anfassen so groß sind, das eine weitere Durchdringung nicht mehr möglich ist. Die Frage ist, hat die Materie wirklich eine feste Oberfläche, oder täuscht uns unser "gesunder Menschenverstand"? Dazu wollen wir uns erst einmal ein Atom genauer ansehen. Es besteht aus einem Kern, der von Elektronen umrundet wird. Ein makroskopischer Gegenstand ist aus Atomen zusammengesetzt. Seine äußeren Abmessungen sind proportional zur Größe der Atome und damit proportional zu den Bahnradien der Elektronen, die um die Atomkerne kreisen.

Sehen wir uns nun die Elementarteilchen, aus denen die Atome aufgebaut sind, genauer an. Darf man diese wirklich als endlich kleine, scharf begrenzte Kügelchen betrachten, wie es den Anschein hat?

2.2 Modell des Elektrons

Man betrachtet das Elektron als kleines Elementarteilchen mit einem winzigen Radius, und außerhalb des Elektrons befindet sich sein elektrisches Feld, das quadratisch mit dem Abstand r (also mit 1/r²) abnimmt und sich bis ins Unendliche erstreckt.

Und jetzt kommt der große Sündenfall der Physik, nämlich die gedankliche Trennung von Raum und Materie. Man zerschneidet das Elektron willkürlich in ein kleines Kügelchen (mit Spin und Ruhemasse) und in ein Feld. Wir wollen aber das physikalische Energiepaket namens „Elektron“ nicht zerschneiden, sondern ganzheitlich betrachten. Das Feld ist nämlich ein untrennbarer Teil des Elektrons.

Wir wollen nun die Energiebetrachtung nachvollziehen, die in den Physikbüchern zur Berechnung des klassischen Elektronenradius dient. Man kennt die Ruheenergie des Elektrons (511 keV). Außerdem kann man die in einem elektrischen Feld steckende Energie berechnen.

Wenn man die in dem Feld des Elektrons steckende Energie aufintegriert, muss das die bekannte Ruheenergie von 511 keV ergeben. Jede Integrationsrechnung braucht Integrationsgrenzen. Wenn man von r = unendlich, bis wohin das Feld reicht, bis r=null integrieren würde, ergäbe sich eine unendliche Ruheenergie. Deshalb darf man nicht bis null, sondern nur bis zu einem fiktiven Radius integrieren, damit man 511 keV erhält. Wenn man die Energiegleichung nach re auflöst, ergibt sich

re = 2,817 * 10-15m

Dies nennt man den klassischen Elektronenradius.

Das bedeutet, das Elektron ist genau betrachtet unendlich groß, wobei es nach außen mit 1/r² immer "dünner" wird, und es hat eine Art Kern, eine Hohlkugel mit dem Radius re. Innerhalb dieses Radius kann keine Energie mehr vorhanden sein, das ergibt sich aus der Integration des Feldes. Das äußere Feld existiert - da es ein untrennbarer Teil des Elektrons ist - von Anfang an mit dem Elektron. Es breitet sich daher nicht mit irgendeiner Geschwindigkeit aus, sondern "es ist".

Das Wichtigste ist die Erkenntnis, dass das Elektron unendlich groß ist. Dass es nur bis zu einem bestimmten Radius re nach Innen reicht, ist für die weiteren Überlegungen sekundär. Selbst wenn man ein genaueres Modell aufstellt, das den Spin usw. einbezieht, beeinflusst dies nur die Größe des inneren Radius, der äußere bleibt unendlich.

Ruhendes Elektron

Dies kann man so veranschaulichen wie Prof. Marmet in diesem Bild aus seinem Artikel Fundamental Nature of Relativistic Mass and Magnetic Fields. Der nach außen abnehmende Grauwert steht für das abnehmende Feld.

Weil das Elektron unendlich groß ist, kann es mit anderen Elektonen / Teilchen deshalb selbst über große Entfernung wechselwirken, da es sich mit diesen immer noch berührt bzw. den von diesen eingenommenen Raum durchdringt. Diese Wechselwirkung ist die Ursache für den "relativistischen Massenzuwachs", also die bei Bewegung zugeführte kinetische Energie. Dies muss so sein, denn Physik ist Wechselwirkung. Jetzt brauchen wir nur noch einen physikalischen Mechanismus, der diesen Vorgang beschreibt. Dafür hat Marmet einen Vorschlag, den wir in Kapitel 3.1 "Die kinetische Energie des Elektrons" genauer nachvollziehen werden.

Weil das Elektron unendlich groß ist und sich daher mit den anderen Teilchen in Kontakt befindet, folgt daraus, dass nirgends im Universum ein Teilchen einsam und allein seine Bahn ziehen kann, sondern dass jedes Teilchen mit der Gesamtheit aller anderen Teilchen im Universum wechselwirkt. Das Teilchen fliegt nämlich nicht durch ein Vakuum, sondern durch die Überlagerung der äußeren Anteile aller anderen Teilchen des Universums. Diese Überlagerung übernimmt die Aufgaben, die man früher dem Äther zugedacht hat. Einen eigenständigen Äther brauchen wir also nicht, um die Fernwirkungen zu erklären.

Wenn wir das Elektron als Gesamtheit, als energetische Entität betrachten, brauchen wir also keine rätselhafte Fernwirkung. Wir müssen uns nur von der alltäglichen Anschauung lösen: die Materie ist nicht so scharf begrenzt wie wir sie sehen, sondern sie hat eine "fein verdünnte" größere Ausdehnung, die sich in Feldern manifestiert.

2.3 Proton und mehr

Entsprechendes gilt auch für das Proton, das sich im Außenbereich wie das Elektron verhält, abgesehen vom umgekehrten Vorzeichen der Ladung.

Die gleiche Rechnung wie beim Elektron kann man für das Proton durchführen. Das Proton hat jedoch eine viel größere Energie, etwa 1000 MeV, daher müssen wir weiter nach innen integrieren bis zum klassischen Protonenradius. Dieser ist deswegen etwa zweitausendmal kleiner als der Elektronenradius. Im ersten Moment scheint es paradox, dass das energiereichere Teilchen einen kleineren Radius hat. Da wir aber das Feld von Unendlich bis zu diesem Radius herunter integrieren, ist sein Volumen tatsächlich größer (nur die zentrale Hohlkugel ist kleiner).

Der Feldverlauf außerhalb der zentralen Hohlkugel folgt beim Proton wie beim Elektron der Bedingung 1/r² , weswegen sich die Ladungen außerhalb des klassischen Elektronenradius r>re kompensieren können. Kompensieren heißt allerdings nur, dass sich die Wirkungen gegenseitig aufheben, sodass wir kein Feld mehr messen können. Die entgegengesetzten Felder sind immer noch vorhanden, anderenfalls würde die Energie und damit die Ruhemasse der Teilchen verschwinden.

Geauso ist es beim Neuton. Das freie Neutron ist ein instabiles Teilchen, das nach ca. 882 Sekunden in ein Proton und ein Elektron zerfällt (und in ein Antineutrino, was wir momentan ausklammern wollen). Wir messen kein elektrisches Feld um das Neutron, was einen zu der Aussage verleiten kann, das Neutron habe kein Feld. Genausogut kann man sagen, dass das Neutron zwei sich gegenseitig kompensierende uns deshalb nicht messbare Felder hat. Zur Klärung dieser Frage betrachten wir das elektrische Feld.

Die Energiedichte U eines elektrischen Feldes E pro Volumeneinheit ist:

U=(1/2)εo E2

Damit ergibt sich als Massendichte

M=(1/2c2o E2

Da man beobachtet, dass die Massen von Elektron und Proton addiert die Neutronenmasse ergeben (abgesehen von der Bindungsenergie), muss man daraus schließen, dass beide Partikel immer noch im Neutron existieren und sich ihre Felder nur nach außen aufheben.

Das hier skizzierte Materiemodell wirkt auf den ersten Blick sehr grob, wenn man es mit dem Standardmodell der Teilchenphysik vergleicht. Hier geht es jedoch um den Außenbereich und die Wechselwirkung der Teilchen, besser gesagt der Energetischen Entitäten, die von uns als Teilchen wahrgenommen werden. Deshalb kümmern wir uns hier auch nicht um die inneren Strukturen und die Zwischenprodukte, die beim Zertrümmern der Teilchen beobachtet werden. Es ist ohnehin eine philosophische Frage, ob man diese Zwischenprodukte als Legobausteine, aus denen die Teilchen aufgebaut sind, betrachten darf, oder ob dies nur energetische Strukturen sind, die sich beim Aufspalten eines Energiepaketes temporär bilden und nach der Neustrukturierung des Energiepaketes wieder verschwinden.

Auf jeden Fall kann man mit dem skizzierten globalen Materiemodell die Ruheenergie, die Entstehung der kinetischen und der potentiellen Energie, die träge und die schwere Masse erklären, ohne ein Higgs-Teilchen zu benötigen.

2.4 Folgerungen

Sowohl für das ruhende Elektron als auch für das ruhende Proton gilt somit, dass diese Teilchen identisch sind mit ihren sich bis ins unendliche erstreckenden Feldern. Dies gilt auch für die "ungeladenen" Teilchen, bei denen die Felder sich gegenseitig kompensieren und deshalb von außen nicht messbar sind.

Wir müssen also feststellen, dass der Anschein trügt, dass die elementaren Bausteine der Materie entgegen der Anschauung unendlich groß sind, wobei sie nach außen immer "dünner" werden, und dass sie sich in diesem verdünnten Außenbereich gegenseitig durchdringen. Wegen dieser Durchdringung können sie dann miteinander wechselwirken. Einen leeren Zwischenraum gibt es daher nicht: der Leere Raum ist ein Gedankending ohne physikalische Existenz.

Ich will es mal so formulieren: in dem Moment, wo wir die gedankliche Trennung von Materie und Raum, von Teilchen und Feld, aufgeben, purzeln die Dominosteine. Wir müssen eine ganze Reihe von Aussagen, an die wir uns gewöhnt haben, neu überdenken.
Halten wir als wesentliche Aussage fest:

Die Materie ist nicht so scharf begrenzt wie wir sie sehen, sondern sie hat eine "fein verdünnte" größere Ausdehnung, die sich in Feldern manifestiert. Jedes Teilchen wechselwirkt mit der Überlagerung der äußeren Anteile aller anderen Teilchen im Universum. Es gibt keinen leeren Raum.

Daraus folgt unmittelbar die Erkenntnis:

Jede Bewegung eines jeden Teilchens bedeutet eine Wechselwirkung mit der Gesamtheit aller anderen Teichen: durch diese Wechselwirkung ändert sich der Energieinhalt des Teilchens, seine kinetische oder seine potentielle Energie.

Auf diese Überlagerung der äußeren Anteile aller Teilchen im Universum beziehen sich alle Bewegungen der Teilchen. Dies ist ein absolutes, universelles Referenzsystem, das durch die Gesamtheit aller Materie im Universum bestimmt wird. Wir definieren als Ruhezustand den Mittelwert der Geschwindigkeiten aller Teilchen im Universum.

Die Aussage "Ein Elektron ist genau betrachtet unendlich groß" hat noch weitere Konsequenzen. Der Logiker wird sogleich fragen, wie eine unendlich ausgedehnte Entität in ein endliches Universum passen kann. Wir werden im Kapitel 9 auf den Begriff "Universum" eingehen und die Auswirkungen auf die Kosmologie diskutieren.

Zunächst wollen wir aber untersuchen, wie man sich die Zufuhr kinetischer Energie durch einen Wechselwirkungsmechanismus vorstellen kann.